Modepflanzen und alte Schätze


Längst halten die verschiedensten Trends Einzug in heimischen Grünanlagen. Dies betrifft nicht nur Baumaterialien wie Naturstein oder Pflasterbeläge, sondern auch lebendige Pflanzen.
Diese Sumpfeiche (Quercus palustris) musste dran glauben. Oft passt die Wuchsgröße mit dem Wunschstandort nicht mehr zusammen.

Gartenmode und Trauerfälle

Glanzmispeln (meist Photinia x fraserii ‘ Red Robin‘), oder die Portugiesische Lorbeerkirsche (Prunus lusitanica) sind in den vergangenen zwei Jahren ganz oben auf der Wunschliste gewesen. Wer sich in einer Lehre im Garten- und Landschaftsbau befindet, wird früher oder später an der Umgestaltung oder Rodung eines alten Gartens beteiligt sein.

Zugegeben, es macht irre viel Spaß die Grenzen eines Baggers auszutesten, während man sich an tief verwurzelte, knorrige Wurzelstumpen festkrallt. Der Moment, wenn sich die letzten hartnäckigen Feinwurzeln mit einem dumpfen Knacken lösen, gibt einem das Gefühl der Natur doch ein wenig überlegen zu sein. Mit oft stumpfen Motorsägen und Heckenscheren, werden dicht gewachsene Grenz- und Wildhecken aus Schwarzdorn und Hartriegel rücksichtslos zerfetzt. Auch langjährig gewachsene, oft wertvolle aus der Mode gekommene Solitärgehölze finden nach Jahrzehnten so ihr trauriges Ende auf einer LKW-Pritsche. Anschließend werden die Überreste auf den nächsten Häckselplatz gefahren und enden in der Biogasanlage.

„Warum nicht Vorhandenes mit einbeziehen? Ein zweiter Blick lohnt sich!“

Nachhaltigkeit ist längst ein Gartenthema

Um der teuren Umgestaltung noch den letzten gutgemeinten Schliff zu verpassen, werden Granitstelen anstatt blühender, schutzbietender Hecken gesetzt und zieren das Grundstück wie unbeschriebene Runentafeln. Kaum jemand würde die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Steinbrüche für die glitzernden Importsteine hinterfragen. Die meisten dazugesetzten Pflanzen sind dabei nur dekoratives Begleitgrün, aber nicht richtig und verdient in Szene gesetzt. Selbstverständlich ist das alles Geschmackssache und jeder hat ein Anrecht auf Individualität. Doch ist es nicht Zeit, den vorhandenen Gegebenheiten einen zweiten Blick zu würdigen und Nachhaltigkeit, sowie Respekt auch zum festen Gartenthema zu machen?

Reinweiße Blüten, leuchtender Fruchtschmuck

Ein langsam schwindender Gartengefährte ist auch der Europäische Feuerdorn (Pyracantha coccinea). Vielleicht würde ihm sein Zweitname, Mittelmeer-Feuerdorn mehr Interessenten einbringen. Das Mittelmeer verbindet man schließlich mit Urlaub am Strand und der unangenehme „Dorn“ im Namen wird gekonnt übertönt. Zu Unrecht wird der ausladend wachsende Strauch aus der Familie der Rosengewächse schlecht gemacht, denn er hat einen hohen ökologischen Mehrwert. Bienen, Hummeln und andere schwindende Insekten lieben ihn und seine kleinen weißen Blüten duften herrlich. Auch die Früchte sind im Herbst und teils Winter eine vitaminreiche Nahrungsquelle für Vögel.

Durch seinen undurchdringlichen Wuchs, wurde er früher gerne als Hecke zur Grundstückseinfriedung gesetzt. Seine zahlreichen, leuchtend orangefarbenen, runden Beeren sind je nach Sorte feuerrot bis hellorange. Doch der Feuerdorn ist sozusagen die „Schlaghose“ in der Welt der Gartengestaltung. Das Positive ist, dass sowohl die textile Schlaghose als Modetrend, als auch der Feuerdorn mancherorts wieder seinen wohlverdienten Platz als Böschungsgrün, z.B. für städtische Ausgleichsflächen und als Vogelnährgehölz erhält. 

Nicht selten kommt es zur einen oder anderen Krankschreibung, wenn der Rückschnitt des Kernobstgewächses angekündigt wird. Am besten sollte dies eine Überraschung für den Montagmorgen bleiben. Selbst dicke Arbeitshandschuhe können die nagelartigen Dornen manchmal nicht abhalten und ein abgebrochener Spreißel im Finger kann sich schwer entzünden.

Richtige Standortwahl für lange Freude

In den meisten Fällen ist ein ungeeigneter Standort für die ungerechte Abneigungshaltung verantwortlich. An Hauswände gequetscht, kann der breitwüchsige Feuerdorn schnell die Abkürzung zur Mülltonne beengen und dann folgt auf den Kratzer am Oberarm die Kriegserklärung: Die Rodung. Alte Exemplare sind in den meisten Fällen über die Jahre  zu einer düsteren Gestrüppwand verwuchert und haben in Folge von mangelnder Pflegemaßnahmen jeglichen Zierwert verloren. Frei ausbreiten und seinem natürlichen Habitus folgen darf er an den seltensten Stellen. Rücksichtslose „Hausmeisterschnitte“ säbeln nur den Jahresneutrieb grobschlächtig ab und eine unschöne Verkahlung ist die Folge. Man kann die Pflanze mit dem feindlichen Namen zwar nicht umarmen, dennoch ist sie eine Bereicherung, vor allem für den naturnahen, insektenfreundlichen Garten und sorgt für einen auffälligen Farbakzent.

Kulturpflanzen in Vergessenheit

In Japan markiert die alljährliche Kirschblüte (Blütezeit von Prunus x yedonensis) den symbolischen Höhepunkt des Kalenders und steht für Schönheit, Neuanfang aber auch Vergänglichkeit. Ein traumhaftes Blütenmeer zieht jährlich unzählige Touristen ins Land und die Einheimischen feiern ein Fest.

Was in Japan die Kirschblüte ist, hätte bei uns beinahe der Schwarzdorn, oder Schlehe genannt (Prunus spinosa) sein können. Leider sind wir der schneeweiß blühenden Kulturpflanze anders begegnet und anstatt eines ehrenden Festspektakels, wurden die uralten, üppigen Schwarzdornbestände unserer ausgeraubten Kulturlandschaften weitgehendst entfernt. Der Hauptgrund ist meist der Zugewinn von Ackerfläche, denn jeder „nutzlos“ verschwendete Quadratmeter bedeutet eine Profiteinbuße.

Nicht nur zur Schnapsgewinnung wurde die Schlehe in frühen Zeiten bewusst kultiviert, sondern auch als schützender Rückzugsort für jagdbares Wild und Vögel angelegt. Ackerflächen wurden mit dem dornigen Gewächs eingefriedet, um Erosion durch Wind zu vermeiden und dadurch die Feldfrüchte zu schützen. Im privaten Hausgarten findet man den Schwarzdorn eher selten. Mit den richtigen Schnittmaßnahmen kann man die robuste Pflanze zu einem kompakten, Wuchs erziehen und ein dezentes Denkmal für alte Kulturpflanzen schaffen.

Abgestaubt und neu entdeckt

Ein tief in Vergessenheit geratenes Kernobstgewächs ist die Echte Mispel (Mespilus germanica). Oft in Unwissenheit abgesägt, wurden diese wertvollen Kulturschätze unerklärlicherweise aus heimischen Hausgärten verbannt. Bereits im Mittelalter und früher, wurde die frostresistente Mispel (bis -20 Grad) zum Verzehr der Früchte kultiviert und gelang höchstwahrscheinlich durch frühe Handelsrouten aus dem Vorderen Orient nach Europa. 

Ein heutzutage seltener, ausgewachsener Mispelbaum lässt selbst so manchen Gärtner mit langjähriger Berufserfahrung stutzig werden und das Bestimmungsbuch muss her. Das Rosengewächs verdient ein Comeback, denn zusammen mit einem abgestimmten Gesamtkonzept kann die Echte Mispel als Solitär-Hausbaum attraktiv in Szene gesetzt werden. Durch gezieltes Ableiten der Äste wird das edle Gewächs zu einer botanischen Skulptur. Im Herbst kann man sich über rotbraun leuchtendes Laub freuen. Die interessanten Scheinfrüchte reifen im Spätherbst und sind essbar. Man muss sie aber erst dem Frost aussetzten, damit sie weich, süßlich und genießbar werden, das geht auch in der Tiefkühltruhe.

Die Zahl der in Vergessenheit geratenen Gewächse, die durchaus attraktiv für den eigenen Garten sein können ist hoch. Alte Obstbäume im Garten, leider oft über Jahre ungeschnitten, können im Endstadium ihres Daseins noch als Rankhilfe für eine der unzähligen, schönen Kletterrosen verwendet werden, oder dienen als Unterschlupf für Insekten und andere Gartenbewohner. Anstelle von krankheitsanfälligeren neuen Sorten, lohnt es sich mit den alten und robusten Obstsorten zu befassen. Mit der korrekten Pflege schafft man sich ein zeitloses Gartenjuwel, an dem sich noch Generationen erfreuen werden.

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